Allgemein


Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar)

Sein Faust errang den Ruf als die bedeutendste Schöpfung der deutschsprachigen Literatur. Darin verarbeitete er seine Leipziger Zeit.

Stationen


  • Leipzig (1765–1768)
  • Frankfurt und Straßburg (1768–1771)
  • Advokat und Dichter in Frankfurt und Wetzlar (1771–1775)
  • Minister in Weimar (ab 1775)
  • Reise nach Italien (1786–1788)
  • Leiter des Weimarer Theaters (1776–1817)

Leipzig (1765–1768)


Auf Weisung des Vaters begann Goethe im Herbst 1765 ein Jurastudium an der traditionsreichen Universität Leipzig. Im Gegensatz zum eher altfränkischen Frankfurt, das damals noch keine eigene Universität hatte, war Leipzig eine elegante, weltoffene Stadt, die den Spitznamen Klein-Paris trug.[1] Goethe wurde wie jemand behandelt, der aus der Provinz kam, und musste sich zunächst in Kleidung und Umgangsformen anpassen, um von seinen neuen Mitbürgern akzeptiert zu werden. Von seinem Vater mit einem monatlichen Wechsel von 100 Gulden versorgt, verfügte er über doppelt so viel Geld wie ein Student selbst an den teuersten Universitäten damals benötigte.[2]

Goethe wohnte in Leipzig in einem Hofgebäude des Hauses Große Feuerkugel am Neumarkt.[3] Da während der Messe die Studenten ihre Unterkunft für die Händler frei machten, zog Goethe zur Messezeit auf ein Bauerngut in Reudnitz, einem Dorf östlich von Leipzig.[4]

Obwohl ihn sein Vater der Obhut des Professors für Geschichte und Staatsrecht, Johann Gottlob Böhme, anvertraut hatte und dieser Goethe den gewünschten Wechsel des Studienfachs untersagte,[5] begann er das Pflichtstudium schon bald zu vernachlässigen. Er gab dem Besuch der Poetikvorlesungen von Christian Fürchtegott Gellert den Vorzug, dem die Studenten ihre schriftstellerischen Versuche vorlegen konnten. Da Gellert Verse ungern annahm, reichte er Goethes poetische Versuche (u. a. ein Hochzeitsgedicht auf den Onkel Textor) gleich an seinen Stellvertreter weiter, der davon wenig hielt.[6] Der Maler Adam Friedrich Oeser, bei dem Goethe den Frankfurter Zeichenunterricht fortsetzte, machte ihn mit dem an der Antike orientierten Kunstideal seines Schülers Johann Joachim Winckelmann bekannt. Oeser – als Gründungsdirektor der im Jahre 1764 ins Leben gerufenen Leipziger Kunstakademie – förderte Goethes Kunstverständnis und künstlerisches Urteilsvermögen. In einem Dankesbrief aus Frankfurt schrieb er ihm, er habe bei ihm mehr gelernt als in all den Jahren an der Universität.[7] Auf Oesers Empfehlung besuchte er im März 1768 Dresden und die Gemäldegalerie. Goethe schloss mit Oesers Tochter Friederike Elisabeth (1748–1829) im Jahre 1765 eine Freundschaft, die sich auch nach seinen Leipziger Jahren noch eine Weile im Briefwechsel erhielt. Oeser blieb auch selbst mit Goethe bis zu dessen Aufbruch nach Straßburg durch Briefe in engerem Kontakt. Ihre Verbindung hat bis zum Tode von Oeser angehalten.

Beim Kupferstecher Johann Michael Stock erlernte Goethe in seiner Leipziger Studentenzeit die Techniken des Holzschnitts und der Radierung.

Fern dem Elternhaus genoss der 16- und 17-Jährige in Leipzig größere Freiheiten: Er besuchte Theateraufführungen, verbrachte die Abende mit Freunden, oder es wurden Ausflüge in die Umgebung unternommen.[8] In die Leipziger Zeit fiel Goethes „erstes ernsthaftes Liebesverhältnis“.[9] Die Romanze mit der Handwerker- und Gastwirtstochter Käthchen Schönkopf wurde nach zwei Jahren im gegenseitigen Einvernehmen wieder gelöst. Die Gefühlsaufwallungen dieser Jahre beeinflussten Goethes Schreibstil; hatte er zuvor schon Gedichte im regelgerechten Stil des Rokoko verfasst, so wurde ihr Tonfall nun freier und stürmischer. Eine Sammlung von 19 anakreontischen Gedichten, abgeschrieben und illustriert von seinem Freund Ernst Wolfgang Behrisch, ergab das Buch Annette. Eine weitere kleine Gedichtsammlung wurde 1769 unter dem Titel Neue Lieder als erstes von Goethes Werken gedruckt. In ihren jugendlichen Anfängen ist Goethes Dichtung, Nicholas Boyle zufolge, „kompromißlos erotisch“ und befasst sich „ganz direkt mit der machtvollsten Quelle des individuellen Wollens und Fühlens“.[10]

Im Juli 1768 erlitt Goethe einen schweren Blutsturz als Folge einer tuberkulösen Erkrankung.[11] Wieder halbwegs reisefähig, kehrte er im August – zur Enttäuschung seines Vaters ohne akademischen Abschluss[12] – ins Frankfurter Elternhaus zurück.

Quellennachweise:

*1 Nicholas Boyle: Goethe. Der Dichter in seiner Zeit. Band I: 1749–1790. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004, S. 83.
*2 Nicholas Boyle: Goethe. Der Dichter in seiner Zeit. Band I: 1749–1790. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004, S. 87.
*3 Johann Wolfgang Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Zweiter Teil, Sechstes Buch, S. 302
*4 Irene Altmann: Goethe und der Kuchengarten in Reudnitz. In: Leipziger Osten 2. Verlag im Wissenschaftszentrum, Leipzig 1994, S.24
*5 Nicholas Boyle: Goethe. Der Dichter in seiner Zeit. Band I: 1749–1790. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004, S. 84.
*6 Rüdiger Safranski: Goethe. Kunstwerk des Lebens. Biographie. Hanser, München 2013, S. 44.
*7 Rüdiger Safranski: Goethe. Kunstwerk des Lebens. Biographie. Hanser, München 2013, S. 56.
*8 In Dichtung und Wahrheit, (zweiter Teil, siebentes Buch, S. 302 (Zeno) erwähnt er einen solchen Ausflug zum Kuchenbäcker Hendel, dem Wirt vom Kuchengarten in Reudnitz, einem der sogenannten Kohldörfer, wo er ein Spottgedicht verfasste und an die Wand schrieb.
*9 Nicholas Boyle: Goethe. Der Dichter in seiner Zeit. Band I: 1749–1790. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004, S. 88.
*10 Nicholas Boyle: Goethe. Der Dichter in seiner Zeit. Band I: 1749–1790. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004, S. 106.
*11 Nicholas Boyle: Goethe. Der Dichter in seiner Zeit. Band I: 1749–1790. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004, S. 93.
*12 Nicholas Boyle: Goethe. Der Dichter in seiner Zeit. Band I: 1749–1790. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004, S. 96.